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Samstag, 16. August 2014

Jane, die kleine Fledermaus (Zeichnungen von Lea E.)

Guten Abend,
wie geht es dir heute?

Ich befinde mich mittendrin, im Kreis des Lebens, der mit der Geburt beginnt und mit dem Tod endet. Bis zum Bersten gefüllt mit Emotionen.

Heute schreibe ich hier eine Geschichte nieder und schenke sie dem Bauchzwerglein einer lieben Freundin, das schon bald schlüpfen darf.

Here we go ...

«Es war einmal eine kleine Fledermaus - ihr Name war Jane. Sie wohnte mit ihren Eltern, ihrem grossen Bruder Rodin und vielen, vielen Onkels und Tantchens in einer dunkeln, herrlich muffligen Höhle in Schaffhausen, ganz in der Nähe des wunderschönen Rheinfalls.




Über Fledermäuse muss man eines wissen: Sie fliegen anstatt dass sie laufen, sie schlafen tagsüber und verlassen ihre Höhle erst in der Nacht. Wenn sie schlafen, dann liegen sie nicht in einem Bett - Nein: Sie klammern sich mit ihren Füsslein an Äste oder Felsvorsprünge und hängen dann dort gemütlich mit dem Kopf nach unten.

Jane war noch ganz klein und klammerte sich am allerliebsten  mit ihren dünnen Flügelchen an Mamas Hals fest. Zur Schlafenszeit jeweils, zetterte und brüllte sie durch die Höhle: "Ich will nicht kopfüber schlafen! Ich will aufrecht sitzen!"

"Ach Jane", lachte Rodin. "Eine sitzende Fledermaus? Das gibt es gar nicht! Du musst dich an den Felsen hängen!"

Die kleine Jane wollte davon nichts wissen. Sie war sich ganz sicher, dass ihr fürchterlich schwindelig werden würde, hinge sie kopfüber. Selbst Mama und Papa Fledermaus konnten sie nicht vom Gegenteil überzeugen. Und so sass Jane Tag für Tag in der Höhle und schlief auf dem Boden.



In einer hellen Vollmondnacht kam Tante Sandrine aus Frankreich zu Besuch. Sie hörte zu ihrer grossen Verwunderung, wie alle 
Fledermäuse kicherten und flüsterten. "Da ist Jane, die verkehrte Fledermaus!"

Traurig flatterte Jane aus der Höhle und setzte sich auf einen Ast des mächtigen Baumes ganz in der Nähe. Tante Sandrine gesellte sich zu ihr und hängte sich an den gleichen Ast. "Allo mon kleines Scherie! Du musst nicht ören was die anderen sagen. Sie aben disch das grand Geheimnis, warum wir Fledermäuse ängend schlafen, absichtlich nischt verraten. Aber isch werde es dir nun erzählen. Spitze nur deine kleinen Öhrschen!"

Jane war neugierig und sah zu ihrer komisch sprechenden Tante hinunter.

"Weisst du, wenn du sitzend schläfst, kommen in der Nacht nur die schwarz/weissen Träume zu dir. Aber Jane, wenn du disch mit deinen Füssen festhältst und dein petit Köpflein ängen lässt, dann kommen die bunten Träume zu dir! Sie sind wunderübsch und viel lebendiger, als du dir das vorstellen kannst!"



Jane staunte und versprach Tante Sandrine, es gleich beim nächsten Tagesanbruch zu versuchen.

Als es zu dämmern begann, suchte sie sich im Geröll der Höhle einen schönen Platz und setzte sich hin. Ihre Füsse umklammerten den kühlen Fels, ihr Herz schlug heftig. Jane schloss die Augen und in ihr fochten Neugier und Angst einen heftigen Kampf aus. 

Dann gewann die Neugier und Jane liess sich vorn über fallen! Sie blinzelte unsicher und sah ihre Familie, die sich ebenfalls schützend zu ihr gesellt hatte. "Isch wünsche dir einen errlisch bunten réve, Jane", lächelte Tante Sandrine ihr zu. 

Als der Tag vorrüber war und die Nacht heran brach, erwachte Jane. Rodin hing dicht neben ihr und flüsterte: "Na? Wie war es?"

"Unbeschreiblich schön! Hätte ich das doch nur schon früher versucht ...", antwortete Jane glücklich. "Kopfüber rockt!"



Rodin und Jane lachten und flogen fröhlich aus der Höhle in die Nacht hinaus.»

Lieber Bauchzwerg, vielleicht liest dir dein Mami die Geschichte von Jane der kleinen Fledermaus vor? Tante Sandrine hat mir nämlich verraten, dass die besonders schönen, bunten Träume auch zu Babys kommen, die kopfüber in Mamas Bauch schlafen. Ich wünsche dir eine elegante Drehung, unglaubliche, kunterbunte Träume und eine gute Reise nach Andere-Seite-von-Mamas-Bauch.

Herzlich,
Nessaja

Montag, 4. August 2014

Meine liebe Freundin,

du weisst, dass ich schreiben muss um alles Gute und Schlechte was mir auf meinem Weg passiert zu verarbeiten. Oft hast du mich dazu ermutigt. Darum tue ich es auch jetzt.

Eben noch haben wir uns mit allen Farben des Regenbogens deine Zukunft wunderschön und kunterbunt ausgemalt.

Und nun ist meine Welt grau und ich muss versuchen, sie mit denselben Farben wieder schön zu gestalten - ohne dich, denn du kamst gestern ums Leben.

Fassungslos müssen wir uns dem stellen und über unseren Häuptern schwebt dieses grosse, schwere 'Warum?' auf das es keine Antwort gibt.

Wir wollten das Leben feiern und ich konnte es kaum erwarten, dich im weissen Kleid als strahlende Braut zu sehen. Und ich war mir sicher, dass du eines Tages ein unglaublich schnusliges und gutes Mami geworden wärst.

Ich bin wütend, verzweifelt und unsagbar traurig. Ich will es nicht wahr haben.

Du, meine liebe Freundin, warst einer der herzlichsten Menschen in meinem Leben. Niemand anders hat so viel und gern gelacht und mir damit so gut getan. Bei dir durfte ich immer 'ich' sein. Du hattest die wunderbare Gabe, selbst etwas wie einen alltäglichen Einkauf so lebhaft und leidenschaftlich zu erzählen, dass ich dir stundenlang hätte zuhören wollen.

Du hast eine wunderbare, grosse Familie - so eng verbunden. Darüber habe ich mich immer so sehr für dich gefreut. Und nun fehlst du. Mögen all die lieben Menschen einander stützen und beistehen.

Unerträglich, dieser Gedanke, dass du nicht mehr bei uns bist. Ich habe dich so sehr lieb. Und wenn es etwas winzig kleines gibt, dass mir das Ein- und Ausatmen im Moment nicht ausschliesslich zur reinen Qual macht, dann ist es die Tatsache, dass du das gewusst hast.

Ich nehme die Buntstifte wieder zur Hand. Und du wirst mich immer begleiten - ich werde nie vergessen, wie und wer du warst. Aber jetzt ist mir nicht danach zu malen. Und du hättest mir gesagt: "Das musst du auch nicht." Weil du so menschlich warst.

Munzi bis in Himmel,
Nessaja